Essen. Schlafen. Dankbar sein.

Wie wir durch eine Dankbarkeitspraxis unser Denken und Fühlen beeinflussen können

Schon Kleinkindern wird in unserer Gesellschaft beigebracht sich zu bedanken. Wertzuschätzen, wenn man etwas geschenkt bekommt, sei es etwas zum Anfassen oder eine liebevolle Geste. Häufig geht mir der Dank in meinem Alltag ganz automatisch über die Lippen. Ich bedanke mich, wenn ich in der Drogerie mein Wechselgeld zurück bekomme oder mich jemand an einer überfüllten Straßenbahnhaltestelle passieren lässt. Doch wenn ich so darüber nachdenke: Dieses „Danke“ ist meist eher nicht mit meinen Gefühlen oder meinem Körper verbunden. Klar bin ich dankbar dafür, dass jemand Anderes etwas für mich tut. Doch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, wenn mir jemand meinen Kaffee über den Tresen reicht, verspüre ich in meinem stressigen Alltag eher nicht. Zu schnell ist der Moment schon wieder verflogen.

Von einem Gedanken hin zu einer positiven körperlichen Empfindung

Dankbarkeit, die ich fühle, fühle ich in der Brust, im Bauch. Ein warmes, wohliges Gefühl. Im Yoga mit Dankbarkeit zu arbeiten finde ich gerade deswegen so schön. Und so einfach, so naheliegend. Denn wir können sie in unserem Körper spüren. Vielleicht zuerst nur als klitzekleines Prickeln im Herzraum. Wenn wir dran bleiben und mit der Zeit lernen, Dankbarkeit zu kultivieren, dann nehmen wir sie vielleicht irgendwann stärker in uns wahr. Möglicherweise als warmes Gefühl in unserem ganzen Körper.

Wo in deinem Körper fühlst du Dankbarkeit?

Studien belegen den Zusammenhang von Dankbarkeit und Wohlbefinden. Menschen, die Dankbarkeit kultivieren und empfinden, fühlen sich anderen mehr verbunden und sind hoffnungsvoll. Die große Welt der self-care bietet uns zum Thema Dankbarkeit eine ganze Menge an. Ein Angebot an Dankbarkeitstagebüchern sehe ich beispielsweise immer wieder in Buchläden oder in der auf mich zugeschnittenen Werbung im Internet. Was ich daran gut verstehe: Aufzuschreiben, für was ich dankbar bin, ist ein wichtiger Schritt. Zumindest für Menschen, die übers Schreiben gut mit sich in Kontakt kommen. Für manche mag es angenehmer zu sein, die Gedanken im Kopf wirken zu lassen oder der Dankbarkeit anderweitig Ausdruck zu verleihen. Aufschreiben ist nicht nur zu denken, sondern auch zu manifestieren, sichtbar zu machen, wenn auch nur für mich in meinem Tagebuch. Zurückblicken zu können in vielleicht schwierigeren Zeiten, wenn man sich aus dem Kopf gar nicht mehr daran erinnern kann, für was man je mal dankbar war, geschweige denn in dem Moment sein könnte. Vielleicht ist das Manifestieren für dich auch Fotos zu schießen oder etwas zu malen.

Unser Hang zum Negativen

Warum sich die Zeit nehmen, über Momente nachzusinnen, für die ich dankbar bin? Nun, wir Menschen vergessen schnell. Und das ist ja auch gut so. Wir würden es sicherlich nicht aushalten, uns an jeden einzelnen Moment unseres Tages, geschweige denn unseres gesamten Lebens, zu erinnern. Blöd nur, dass unser Gehirn darauf ausgerichtet ist, besonders gut negative Erinnerungen abzuspeichern. Was evolutionär gesehen Sinn ergibt (Gefahren sollten wir uns besser gut einprägen, damit wir nicht zu schaden kommen), kommt dem im globalen Norden lebenden Menschen heutzutage eher in die Quere. Es gibt wenige Gefahren, vor denen wir uns schützen müssen, zu sicher ist unser Leben mittlerweile. Und so scheint es doch sinnvoll, sich verstärkt mit positiven Erlebnissen zu beschäftigen. Man kann lernen, dankbar zu sein, positive Erlebnisse zu erinnern, seine Gedanken darauf auszurichten.

Dankbarkeit als Form von Achtsamkeit

In der Achtsamkeitspraxis geht es darum, im Hier und Jetzt zu sein, anzunehmen, was gerade ist, und dies nicht zu bewerten. Wenn wir unsere Dankbarkeit ausdrücken, den Fokus also auf etwas Positives lenken, dies auch so benennen, bewerten wir. Dennoch sehe ich Dankbarkeit als einen wichtigen Teil von Achtsamkeit. Bewusst wahrzunehmen und zu schildern, was an einem Tag schön war, was gut tat und welche Begegnung mich erfreut hat. Und vielleicht gelingt es dann, auch für die kleinen Dinge im Alltag wie eine aufmerksame Geste einer fremden Person, die einem die Tür aufhält, dankbar zu sein. Es wirklich zu fühlen. Achtsam zu sein. In der Yogapraxis eignen sich für mich besonders Affirmationen um Dankbarkeit einfließen zu lassen:

Ich bin dankbar.

Ich bedanke mich bei mir selbst, dass ich mir

heute Zeit genommen habe für meine Yogapraxis.

Diese Sätze können wir uns am Anfang und am Ende einer Yogaklasse innerlich vorsagen. Doch auch in den Asanas oder zwischen dynamischeren Sequenzen lässt sich der Blick auf die Dankbarkeit lenken. Diese Affirmationen bieten eine positive Alternative zu vielleicht gefestigten Denkmustern wie „Ich komme schon wieder nicht in die Asana hinein“:

Danke an meinen Körper, dass er mir ermöglicht,

heute Yoga zu praktizieren.

Und dann immer nur dankbar sein?

Nein. Ich möchte keinesfalls zu falscher Positivität aufrufen. Manche, wenn nicht sogar viele, Dinge sind schlimm, schrecklich, tun uns oder Anderen weh, und sollten auch so benannt werden. Dankbarkeit soll nicht Wut überdecken, nicht verhindern, dass wir etwas verändern. Ich sehe eine Dankbarkeitspraxis als Tool, Positves ins Leben zu holen und Kraft zu tanken. Und wir sollten nicht vergessen, dass es ein großes Privileg ist, jeden Morgen ein Dankbarkeitstagebuch ausfüllen zu können. Denn es bedeutet, dass wir sicher sind, die Zeit dafür haben und noch nicht zur Arbeit eilen müssen. Es heißt, dass wir Ruhe haben, weil unsere Wohnsituation dies hergibt und wir vielleicht sogar allein in einem Raum sind. Dass wir das Geld haben für Notizheft und Stift. Alles Dinge, für die wir dankbar sein können.

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